TEACH ME
HOW TO
LEAVE I
(2022-2023)
performance auf video, text
Die Haut ist warm, umschließt
eine Masse in Körpertemperatur,
fühlt sich zart an, feine Härchen
stimulieren Sensoren bei jeder
Berührung, stellen sich auf,
erheben sanft und in Wellen die
Hautoberfläche, die Augen sind
weit, offen, kein Wasser sammelt
sich unter den feinen Häuten,
die sie umgeben.
Da ist ein Gefühl von
Gebrochensein, von rauen Stellen,
Schmirgel, die Körperinnenwände
aufreiben, da ist ein Gefühl von
Falschsein und von
Schuldzuweisungen, da ist ein
Geschmack, der an Eisen erinnert
und der alles, was man sich in den
Mund steckt nach Blut oder nach
einem metallenen Ring schmecken
lässt, den man mit der Zunge
befeuchtet, um ihn anschließend
besser vom Finger zu kriegen. Da
ist ein Gefühl von nicht ganz okay
sein, weil es ganz okay sein
lange schon nicht mehr gibt. Aber
da ist auch ein Empfinden von frei
sein und von safe sein, das
ausreicht, von einer Haut, die
sich nach außen stülpen lässt und
trotzdem nicht schmerzt, die sich
nach außen stülpen lässt und
trotzdem warmhält, die nicht
errötet, nicht wund wird im
Moment. Da ist das Gefühl von
Schweiß unter den Achseln und
trotzdem sicher sein, dass das auf
dem dunklen Shirt niemand sieht.
Irgendwas schürft und drängt,
wie eine Klinge,
die Kehle hinunter, aber die
Schleimhäute umgeben, hüllen ein,
wärmen die Schneide, weichen sie
auf, machen sie sanft und
beweglich. Die Augen kreisen nach
oben, drehen von rechts nach links
und zurück, die Lieder schließen
und für einen Moment schwindet
das Außen, die Augen öffnen sich
einen Moment später, als das
eigentlich üblich ist, die Dunkelheit
dauert länger an, wenn der Drang
danach, die Fäden zu halten,
anschwillt und die Steuerung
übernimmt.Ich kann nicht mehr,
sagst du und ich verstehe, weil
ich das auch schon gefühlt hab und
jetzt denke ich darüber nach, dass
wir nicht können müssen oder,
dass wir so tun können sollten,
als könnten wir, ohne, dass das
der Wahrheit entspricht.
Jetzt denke ich darüber nach,
was mich antreibt und darüber,
dass ich nichtmehr aus einem
Ich heraus schreiben wollte,
es aber so schwer ist ein
kollektives Selbst zu verhandeln.
Ich denke nach über Zeiten
der Erschöpfung, über Wunden,
die sich nicht horizontal,
aber vertikal in die Tiefe bewegen,
darüber, dass die Ermüdung sich
gerade eine Auszeit nimmt,
die Schwerkraft kurz aussetzt.
Ich atme ein. Ich suche nach
Klarheit, ich suche nicht nach
Klarheit, ich suche nach einem
Weg, vielleicht einem Pfad,
der sich sicher genug anfühlt.
Ich suche nach einem Weg im
Dazwischen zu existieren, zu
verlangen, zu begehren, zu spielen
oder danach alle vertrauten Muster
von Sicherheit in Scherben zu
zersplittern, in Scherben, die sich
dann in die Haut bohren, alles
Leben aus dem Körper lassen für
einen Neuanfang.
Ich schwimme in einem Meer
aus fragmentierten Gedanken,
Inspirationen, Hingaben und
Auflösungen, Ordnungen und
Grenzen und Verletzungen und
Bewunderung und Hass, aus
Wagnissen und Ängsten und
Verzerrungen und Sortierung und
Verwerfung, ich versuche mich
langsam heran an Ränder zu tasten
und wenn ich dann mit den Zehen
oder mit dem Zeigefinger an etwas
stoße, Widerstand wahrnehme,
Nichtvertrautes registriere,
dann bewegt sich der Körper wie
elektrisiert und in Reflexen zurück,
dann duckt sich der Kopf und die
Wirbelsäule krümmt sich in die
Richtung, in die sich die
Wirbelsäule halt krümmen kann und
dann schließe ich die Augen und
versuche die Poren zu verdichten
und mit ihnen alle Sinne und dann
versuche ich klar zu kommen.
Wenn Körpergrenzen sich besser
auflösen, wenn die Haut warm ist,
dann bedeutet Isolation auch
Erkaltung, dann bedeutet Rückzug,
Verheilen, ein Abwenden vom
pressure to perform, aber auch
Einsamkeit. Teach me how to
leave, sagst du, und ich denke,
dass ich ganz genau weiß,
wie das geht.